Tour du Queyras – Wandern in Frankreich

Warum ich mich für die Tour du Queyras (GR 58) im Süden Frankreichs entschieden habe

Irgendwann im Frühjahr stieß ich auf eine schöne Tour im Süden von Frankreich. Richtig toll fand ich sie, weil es ausgerechnet in einem Naturpark, im Queyras, gestattet ist, außerhalb von Ortschaften (eine Stunde entfernt) für eine Nacht sein Zelt aufzustellen. Wow, toll! Sofort ploppte in mir der Wunsch auf, oberhalb der Baumgrenze mit grandioser Aussicht zu übernachten, ähnlich wie in Lappland, nur viel höher …
Dass die Tour als schwierig und anstrengend gilt, juckte mich in dem Moment nicht. Hauptsache, wir brauchen keine Steigeisen! Die Strecke der Tour du Queyras (GR 58) beträgt ca. 120 km, perfekt!

Die Tour du Queyras, wie wir sie in 7+1 Tagen gelaufen sind. In Abriès auf dem Zeltplatz machten wir einen Pausentag, weil Gewitter angekündigt waren.

Hier ein Wort zur Tour an sich. Die Tour du Queyras ist tatsächlich eine schwere Wanderung und erfordert eine sehr gute Kondition. Daher blende ich dir das Höhenprofil (gemopst von Komoot) hier zur Gesamttour sowie zu Beginn eines jeden Tages ein, um es deutlicher zu machen! Wie du im Verlauf der Tage sehen kannst, mussten wir jeden Tag um die 1000 Höhenmeter hoch und wieder runter. Es galt, jeden Tag mindestens einen Pass zu überwinden. Das ist ANSTRENGEND! Man sollte in seinem Leben schon mal 1000 Höhenmeter am Stück hochgekraxelt sein, um zu verstehen, was das heißt, bevor man es nachmacht.

Ausgesetzt oder gefährlich ist die Tour zu keiner Zeit. Ein- oder zweimal dachte ich, es wäre doch gut, schwindelfrei zu sein, aber mich festhalten oder gar auf allen Vieren klettern musste ich zu keiner Zeit. Verlaufen kann man sich auch nicht. Der GR 58 ist überall gut markiert mit Rot-Weiß.

So, und jetzt guck dir das Höhenprofil gut an 🙂

Höhenprofil gesamte Tour du Queyras
Das Höhenprofil der Gesamttour. Meine Güte, wie viele Berge wir hoch- und wieder heruntergeklettert sind!

Die Anfahrt nach Ceillac

Es gibt eine recht vernünftige Zugverbindung, die uns in etwa 11 Stunden nach Guillestre gebracht hätte. Von dort kann man in den Bus umsteigen und hätte Ceillac erreicht, einen kleinen Ort im Département Hautes-Alpes in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur. Dort soll die Tour du Queyras für uns starten. Natürlich ist es möglich, auch an anderer Stelle einzusteigen, wenn man möchte.

Aber meine Tochter hat anderes im Sinn. Sie will unbedingt den Hund mitnehmen, und der ist wegen seiner Tierheim-Vergangenheit nicht unbedingt für öffentliche Verkehrsmittel geeignet. Einen ganzen Tag im Zug, nein, das wäre purer Stress für ihn. Also überzeugt sie die Großeltern, dass man in den südlichen französischen Alpen doch hervorragend Urlaub machen könnte…

Kurz und gut, wir fahren alle zusammen nach Guillestre mit dem Auto, was mit Pausen und allem Drum und Dran genauso lang gedauert hat. Wir lassen die Großeltern dort (die übrigens wirklich einen wunderbaren Urlaub verbracht haben) und von dort aus fahren meine Tochter, der Hund und ich mit dem Bus die 13 km hoch in die Berge nach Ceillac zum Anfangspunkt unserer Tour. Die erste Nacht quartieren wir uns auf dem dortigen Campingplatz ein, da es für einen Start schon viel zu spät ist.

Camping Municipal Les Moutets in Ceillac. Wir haben sehr schwer ein gutes Plätzchen für unser Zelt gefunden. Alles war schon besetzt!

Hier machen wir zum ersten Mal Bekanntschaft mit diesen schwarzen Fliegen, die aussehen wie Stubenfliegen. Sie stechen zwar nicht wie die Moskitos in Lappland, aber sind trotzdem äußerst lästig, sodass man nicht ungestört draußen essen kann. Der Campingplatz ist voller kleiner Zelte, Wahnsinn! Wer ein neues Zelt sucht, kann sich hier in aller Ruhe die verschiedensten Modelle anschauen.

 

Tag 1 – Von Ceillac nach Saint-Véran

Dauer 06:29, Wegstrecke 13,3 km, bergauf 1190 m, bergab 840 m

Höhenprofil Tag 1

Um sechs Uhr morgens hält es mich nicht mehr im Schlafsack. Andere Wanderer sind schon früher aufgebrochen, einige haben sogar im Dunkeln mit Stirnlampe ihr Zelt abgebaut. So brechen auch wir auf. Um sieben Uhr früh wandern wir durch Ceillac, lassen die Boulangerie rechts liegen und beginnen die Wanderung zunächst mit einer Straße bergauf.

Tochter und Hund wandern in Ceillac
Start unserer Tour in Ceillac um 7 Uhr morgens

Als die Sonne es über die Bergspitzen schafft, wird es sofort heiß. Und die Fliegen sind unsere ständigen Begleiter, sodass wir in Sorge sind, ob wir überhaupt ein ruhiges Plätzchen für unser Frühstück finden werden. Schließlich halten wir es nicht mehr aus und packen unser Essen aus. Der Hund schnappt ununterbrochen nach den Fliegen und macht uns zusätzlich ganz nervös.

Steiler Weg in den Alpen mit Wolken
Der Weg führt stetig bergauf. Trotz der vielen Wolken kein Schatten, eine schweißtreibende Angelegenheit.

Der erste Pass, der Col des Estronques, ist der schlimmste. Wir sind noch nicht eingelaufen, der Weg führt in steilen Serpentinen ununterbrochen hinauf, es ist die Hölle. Meine Tochter will schnell mit vielen Pausen laufen, ich langsam aber stetig, andere Wanderer überholen uns und wir sie. Es ist ein ständiges Wechseln.

Irgendwann fragt sie mich keuchend: „Mama, warum machen wir das hier?“ Ich kann ihr in diesem Moment wirklich keine sinnvolle Antwort darauf geben.

Selbst der Hund ließ den Kopf hängen, als wir den Col des Estronques endlich erreicht hatten (2651m).
Selbst der Hund lässt den Kopf hängen, als wir den Col des Estronques endlich erreicht haben (2651m).

Schweißüberströmt erreichen wir den Pass. Doch sobald wir stehenbleiben, frösteln wir im eiskalten Wind. Es sind viele Leute hier oben, die sich alle sofort in ihre Daunenjacken einmummeln. Ich beäuge den Tête de Jacquette, einige Höhenmeter über uns, der einen Rundumblick über die Berge verspricht, aber ein Blick meiner Tochter lässt es mich gar nicht aussprechen. Wir steigen auf der anderen Passseite den Berg etwas herunter und werfen uns auf sonnenbestrahlte Wiesen, um eine ausgiebige Mittagsruhe zu halten.

Blick auf Saint-Veran
Hurra, unser Tagesziel ist in Sichtweite! Aber der Weg zieht sich noch ungeahnt …

Saint-Véran ist ein sehr hübsches, belebtes Bergdorf, übrigens das höchstgelegene in Europa (2042m). Interessant für uns sind die zwei kleinen Lebensmittelläden, wo wir uns frisches Obst kaufen. Es gibt auch noch Brunnen zum Wasserauffüllen, öffentliche Toiletten und etliche Cafés und Restaurants. Wer übernachten will, findet dort Möglichkeiten.

Saint-Véran, das höchstgelegene Dorf Europas (2042m).

Saint-Véran, das höchstgelegene Dorf Europas (2042m).

Obwohl wir fix und fertig sind, schlendern wir durch die zwei Hauptgassen des Dörfchens. Reisebusse spucken Touristen aus, die es uns gleichtun. Auch wenn das Bild so leer aussieht, drängen sich Menschen durch die Straßen. Mich beeindruckt die alte Kirche mit ihrer herrlich geschnitzten Holztür. Aber rein will ich mit dem Rucksack nicht, und ihn absetzen will ich auch nicht …

Wir verlassen Saint-Véran und wandern gemächlich bergauf am Fluss entlang. Ein Wanderer hat einen verlockend aussehenden Rastplatz besetzt, kocht sein Abendessen auf dem Holztisch und beobachtet mit Argusaugen, wie wir uns vorbeischleppen. Wir stören ihn nicht. Ob wir es noch die 6 km bis zur Clausis-Kapelle schaffen? Nein, gewiss nicht.

Schließlich schlagen wir uns durch die Bäume zum Fluss durch und stellen unser Zelt auf die einzig ebene Fläche, die wir finden können. Noch ein Bad im strömenden Eiswasser und dann ab ins Bett.

Wildzelten am Fluss.

Wildzelten am Fluss. Der Boden ist so hart, ich bekomme die Haken nicht rein und beschwere sie mit Steinen.

Tag 2 – Von Saint-Véran nach La Monta

Dauer 09:38, Wegstrecke 24,2 km, bergauf 1180 m, bergab 1480 m
Am nächsten Morgen stehen wir wieder früh auf und überholen eine ganze Reihe von Trekkern, die ebenfalls am Fluss ihre Zelte aufgeschlagen haben. Und zwar an wesentlich idyllischeren Orten als wir. Wir hätten nur noch ein paar Kilometer weiter laufen müssen. Egal.
Wir wandern im Morgenschatten zur Clausis-Kapelle. Überall pfeifen Murmeltiere und der Hund ist ganz aufgeregt.
Zur Clausis-Kapelle führt ein breiter Schotterweg hoch. Da wir schon den Tête de Jacquette haben sausenlassen, nehmen wir den Umweg auf uns. Aber ehrlich gesagt, das kannst du dir sparen. Die Clausis-Kapelle ist ein hoher, abweisender Steinbau und noch dazu geschlossen. Oben in einer Senke stehen immerhin Frühstücksbänke, von denen aus wir den Murmeltieren beim Spielen und Pfeifen zugesehen haben.
Die Clausis-Kapelle von weiter oben.
Die Clausis-Kapelle von weiter oben. Wenn sie auch so hässlich ist, wenigstens war der Blick beim Frühstück von dort wunderschön.

Schau dir mal diese unterschiedlichen Gesteinsfarben an. Ist das nicht wunderschön?

Rote Felsbrocken fließen in graublaue Steine ...
Rote Felsbrocken fließen in graublaue Steine …

Ab hier geht es wieder heftig nach oben. Beim Verschnaufen treffen wir andere Wanderer. Verständigen können wir uns nur unbeholfen, denn unser Französisch ist mehr als kläglich. Eine Frau hat an jedem Trageriemen ihres Rucksacks zwei Trinkbecher mit langen, bis zum Mund führenden Röhrchen. Sie muss sich nur entscheiden, in welche Richtung sie ihren Mund drehen will. Andere haben Nuckelstücke in Mundhöhe, die Wasser aus ihren Trinkblasen vom Rücken herleiten. Ich staune und komme mir gewöhnlich vor mit meinen Plastikflaschen vom Netto. Die habe ich aber nur, weil ich seit Neuestem unter die Ultraleichtwanderer gegangen bin, wirklich.

Erneut schweißgebadet erreichen wir den ersten Pass, den Col de Chamoussière. Allerdings wissen wir, dass dies heute nicht der einzige Pass bleiben wird, so ist die Freude etwas verhalten …

Felsiger Weg
Genau, hier müssen wir erst runter, bis es auf der anderen Seite des Tals wieder bergauf geht.

Wenn man diesen felsbrockigen Pfad sieht, glaubt man nicht, dass uns hier jede Menge Mountainbiker entgegenkommen. Die meiste Zeit müssen sie schieben und die Räder sehen schwer und klobig aus. Aber ab und zu fahren sie doch. Wir staunen erneut, und am übernächsten Tag werden wir sogar einen Sessellift sehen, der extra für die Fahrräder samt Mountainbiker konzipiert ist. Was es alles gibt!

Aber zurück zum Weg, und falls du vorhast, die Tour du Queyras, also den GR 58 ebenfalls zu laufen, verrate ich dir jetzt etwas.

Man hat ja vom Pass aus eine wunderbare Sicht nach unten. Man sieht die Agnel-Hütte, an der wir laut Beschreibung vorbeikommen werden. Oberhalb liegt ein Parkplatz. Wo ist nun der Col Vieux, den wir als nächstes überqueren müssen? Wir sinnieren und sinnieren und kommen zu dem Schluss, dass man doch am besten über den Parkplatz laufen könnte.

Blick zur Agnel-Hütte
Die Schilder des GR 58 führen über die Agnel-Hütte. Wer dort nichts zu schaffen hat, könnte über den Parkplatz abkürzen.

Nun, wir sind uns nicht ganz sicher, wo der Col Vieux nun wirklich liegt. Vielleicht geht es ja doch links von der Hütte hoch? Also befolgen wir die Schilder, ärgern uns aber gewaltig, als wir den Abzweig zum Parkplatz wieder entdecken. Vermutlich leiten die Schilder die Wanderer zur Hütte, damit die sich dort kräftig für den Umweg stärken können.

Wir schnaufen also wieder den Berg hoch zum nächsten Pass und werden dort oben wenigstens für unsere Mühe belohnt. Der Lac de Foréant liegt zu unseren Füßen. Es ist mit 2618 m der höchstgelegene See des GR 58.

Blick auf den See Forèant (2618m)
Blick auf den Lac de Foréant (2618m)

Unten angekommen ist es 14 Uhr 30, und wir legen eine ziemlich späte Mittagspause ein. Egal, hier am See ist es so schön. Das finden allerdings auch sehr viele andere Wanderer, sodass wir Mühe haben, ein ruhiges Plätzchen für uns zu finden. Aber noch länger können wir das Mittagessen nicht hinauszögern, wir haben einen riesigen Hunger.

Am Lac de Foréant
Der See ist wunderschön, aber jetzt sollten wir mal aufbrechen. 

Als wir aufbrechen, haben sich die Menschenmassen schon etwas gelichtet. Es ist später Nachmittag und wir haben noch so einiges vor uns. Nämlich den zweiten See dieser Tour:

Auch der Egorgéou-See ist wunderhübsch. Er liegt auf 2400 m Höhe
Auch der Egorgéou-See ist wunderhübsch. Er liegt auf 2400 m Höhe.

Es geht jetzt bergab und bergab. Schnell erreichen wir die Baumgrenze und passieren einige idyllisch gelegene Plätze, wo man hätte zelten können – wenn sie nicht schon besetzt gewesen wären. Aber wir wollen sowieso noch ein paar Kilometer weiter kommen.

Und plötzlich geht gar nichts mehr:

Eine riesige Schafherde mit drei Schäferhunden und zwei mitlaufenden Eseln
Eine riesige Schafherde mit drei Schäferhunden und zwei mitlaufenden Eseln. Wer sieht die Esel?

Die vielen Tiere wirbeln ordentlich Staub auf. Sowieso ist die Luft durch den trockenen Boden und dem damit verbundenen Staub ziemlich getrübt, was sich zu meinem Ärger auf die Sicht und somit auf die Fotos auswirkt.
Auf vielen Schildern wird über die freilaufenden Herdenhunde informiert. Wir mit unserem Mini-Hund wissen also, dass wir Abstand zu halten haben. Tatsächlich kommt einer der Hunde angelaufen, überprüft unseren Zwerg und entscheidet, dass er für seine Schützlinge ungefährlich ist. Ein Mann versucht, über die Wiesen unterhalb an der Herde vorbeizukommen, aber er wird sofort gestellt und ausgebellt, bis er zurückweicht. Ein sehr dummer Mountainbiker, der es ebenfalls nicht aushalten kann, wird von den Schafen regelrecht eingekesselt. Er kann weder vorwärts noch rückwärts.

Wir üben uns in Geduld und tippeln der Herde mit Abstand hinterher, bis sie nach einer gefühlten Ewigkeit ihren Stall auf einer Alm erreicht haben. Endlich kommen wir wieder vorwärts.

Nach einer Weile treffen wir wieder auf den sehr dummen Mountainbiker. Er hat es wohl doch durch die Herde geschafft. Aber jetzt kniet er mit einem Reifenschaden über seinem Rad. Tja.

Helfen können wir hier nicht, also laufen wir weiter den Berg hinunter. Wir treffen noch auf eine Gruppe, die eine schöne Lichtung mit Aussicht besetzt hat. Bei ihnen grast ein Esel. Wandern mit Esel als Gepäckträger ist hier sehr verbreitet, wir haben schon ein paar Eselswanderer gesehen.

Unser Ziel ist ein Campingplatz in La Monta, den wir recht spät am Abend erreichen. Eine Frau spricht mich beim Geschirrspülen an, erst auf Französisch (Katastrophe), dann auf Englisch (das kann ich viel besser) und schließlich, als ich erzähle, dass wir aus Deutschland kommen, schwenkt sie um auf Deutsch. Sie lädt uns zu einem Musikfestival in Abriès ein, wir sollen mit ihr hinfahren. Das geht leider nicht, wegen dem Hund und weil wir auch so müde sind. Aber was für eine nette Frau! Wir unterhalten uns noch ziemlich lange.

Unser Zeltplatz in La Monta
Unser Zeltplatz in La Monta. Siehst du den Dunst in der Luft? Es hat lange nicht mehr geregnet und die Luft ist staubig.

Tag 3 – Von La Monta nach Abriès

Dauer 06:24, Wegstrecke 15,4 km, bergauf 920 m, bergab 1070 m

Den ganzen gestrigen Abend konnten wir ihn schon anstarren: Den Berg, auf den es heute hinaufgeht. Schon beim Anblick erfüllt mich eine ungeheure Schwäche …
Und es geht auch flott los mit den Höhenmetern. Sind wir früh am Morgen noch die gefühlt Ersten, die den Berg hinaufschnaufen, werden wir plötzlich Schlag auf Schlag von schnelleren Wanderern überholt. Mensch! Sind die denn alle fitter als wir!
Blick auf La Monta und L'Echalp
Blick beim Frühstück zurück auf unseren Campingplatz und einen Teil der gestrigen Route

Wir schaffen es nicht einmal wie vorgenommen bis ganz nach oben.  Irgendwann werfen wir die Rucksäcke am Wegrand ab und gönnen uns unser Frühstück mit einem tollen Blick zurück auf die gestrige Tour. Über den Bergspitzen hängt leider immer noch dieser gelbe Dunst. Es soll heute aber der letzte schöne Tag sein, für morgen sind Gewitter angekündigt. Das ist blöd, aber vielleicht verschwindet dann diese riesige Staubwolke.

Auf den Crêtes de Peyra Plata
Auf den Crêtes de Peyra Plata

Endlich schaffen wir es bis ganz nach oben. Es ist unheimlich windig, aber die Aussicht ist überwältigend. Wir gucken über das gesamte Guil-Tal und auf nahezu jeden Gipfel in unmittelbarer Umgebung. Wow!

Jetzt geht es nur mit mäßigem Auf und Ab auf dem Gipfelgrat entlang. So lasse ich mir das gefallen. Ich muss nur aufpassen, dass ich vor lauter Gucken nicht links oder rechts runterfalle. Und als wir auch noch ein windgeschütztes, regelrecht heißes von der Sonne erwärmtes Plätzchen für das Mittagessen finden, ist unser Glück perfekt.

Mittagessen auf dem Collette de Gilly (2366m)

Mittagessen auf dem Collette de Gilly (2366m)

Wir lassen uns Zeit, genießen die Aussicht und die Sonne. Ab jetzt geht es ja schließlich nur noch bergab …

Doch kaum verlassen wir unsere gemütliche Nische, stehen wir im brausenden Wind. Er ist so stark, dass ich meine Kappe abnehmen muss. Die Bäume sind auf der windzugeneigten Seite alle krumm und schief gewachsen, echt irre.

Hinab vom Collette de Gilly nach Abriès.
Hinab vom Collette de Gilly nach Abriès. Sei froh, dass du den Wind nicht spüren kannst.

Eine ganze Weile geht es auf dieser extrem windigen Passage bergab. Doch endlich erreichen wir tiefere Regionen, der Wind beruhigt sich und die Landschaft wandelt sich. Zunächst geht es über liebliche Bergwiesen und der Hund findet endlich wieder einen Bach zum Baden und Trinken.

Über Almwiesen
Hurra, ein Bach ist in Sicht

Und dann zieht sich der Weg einmal um den ganzen Berg herum. Dabei haben wir Abriès, unser Ziel, doch schon von oben gesehen. Aber Wandern in diesem schönen Wald ist auch ganz nett.

Wandern im Wald
Aber der Wald ist auch ganz schön

Und endlich erreichen wir Abriès. Dafür, dass dies eine der kürzeren Etappen ist, tun uns ganz schön die Füße weh. Aber hey, hier gibt es zwei Supermärkte, einen gehobenen mit Bio-Sachen und einen normalen. Wir kaufen gleich in beiden reichlich ein. Dann marschieren wir zum nahegelegenen Campingplatz und richten uns gemütlich ein.

Abriès am Abend
Abriès am Abend

Tag 4 – Pausentag in Abriès

Heute kein Höhenprofil – wir sind dageblieben. Zum einen sind Gewitter angesagt (blöderweise habe ich vor unserer Abreise haufenweise Gewittervideos angeschaut, also wie man sich verhält und so. Kann sein, dass mich das beeinflusst hat …) und zum anderen tun uns so die Füße weh und wir haben Muskelkater. Ja, so ist das. Untrainiert und so.

Unser Zeltplatz in Abriès.
Unser Zeltplatz in Abriès mit steinhartem Boden. Unser freundlicher Zeltnachbar leiht uns einen Hammer … Als wir ankommen, sind alle Plätze bis auf die Mitte schon besetzt.

Nun ja, es regnet tatsächlich gegen Mittag ein oder zwei Tropfen. Dunkle Wolken drohen jedoch immer wieder vom Himmel. Wir bringen den Tag gut rum, es gibt ja einige Lokale in Abriès. Unsere Zeltnachbarin drückt uns einen Flyer von einer wunderbaren Naturausstellung in die Hand, aber blöd, wir können doch so gut wie kein Französisch. In der Nacht kommt dann das versprochene Gewitter, es rumpelt und blitzt ordentlich. Meine Tochter und der Hund schlafen selig.

 

Tag 5 – Von Abriès nach Les Fonts

Dauer 06:56, Wegstrecke 14,1 km, bergauf 1250 m, bergab 760 m

Höchster Punkt 2802 m Niedrigster Punkt 1557 m

Am nächsten Morgen ist alles nass, aber die Sonne strahlt, als wäre nichts gewesen. Wir sind erholt und voller neuer Motivation. Die brauchen wir auch, denn … es geht mal wieder den Berg hoch.

Blick zurück auf Abriès. Hinten neben dem Fluss siehst du den Campingplatz.
Blick zurück auf Abriès. Hinten zwischen dem Fluss und der Straße siehst du den Campingplatz.

Wir passieren den fast verlassenen Weiler Malrif, wo einige Häuser total zusammengestürzt sind und andere hübsch renoviert. Was für ein karges Leben diese Leute früher geführt haben müssen.

Dahinter wird es fast magisch. Der Bach plätschert durch ein liebliches Tal, wir sehen Wanderer, die ihre Zelte auf den Wiesen abbauen oder auch nur Pause machen. Ein toller Ort.

Hinter dem kleinen Örtchen Malrif wird es idyllisch
Hinter dem kleinen Örtchen Malrif wird es idyllisch

Als wir die Baumgrenze erreichen, geht es wieder ohne Gnade los mit den Höhenmetern. Aber dieses Mal wird uns die Anstrengung versüßt durch die vielen wunderbaren Blumen, die auf den Almwiesen wachsen … hier muss ein Maler unterwegs gewesen sein, der all die Blumen in unglaublich vielen Farbtönen angepinselt hat. Einfach umwerfend!

Unzählige Blumenarten wiegen sich im Wind in tausenderlei Farbschattierungen.
Ein Foto kann gar nicht die unglaubliche Vielfalt wiedergeben. Unzählige Blumenarten in tausenderlei Farbschattierungen wiegen sich im Wind.

Für mich ist das Malrif-Tal das schönste auf der ganzen Wanderung!

Als wir den Berg erklommen haben, wartet der Lac du Grand Laus auf uns (und etliche andere Wanderer). Keine Sorge, ich gehe nicht ins Wasser.

Lac du Grand Laus
Der Hund will ein Bad nehmen. Ich nicht.

Es gibt hier oben noch zwei weitere Seen, aber die müssen wir leider auslassen. Unser Weg führt auf den Pass dort hinten, im obigen Bild erkennt man ganz zart den Weg, der hinaufführt.

Lac du Grand Laus
Der See ist zu schön. Aber sobald man nicht mehr in Bewegung ist, wird es schnell kalt.

Aber erst einmal werfen wir uns auf die Wiese und genießen den Anblick des Sees. Hier das obligatorische Schuhe-Bild dazu, und da die Frage öfter kommt, gleich die Antwort. Ja, ich trage Barfußschuhe und ja, sie sind superbequem. Ich habe seit ich sie trage, nie wieder eine Blase bekommen, mein Rücken dankt es mir auch und ja, ich spüre die Steine unter den Schuhen, aber nicht so sehr, dass es mich stört. Meine Füße schmerzen viel weniger und erst nach sehr langer Strecke und ich werde ganz bestimmt bei Barfußschuhen bleiben. Falls du jetzt allerdings vorhast, dir auch welche zu kaufen, rechne bitte mit einer gewissen Eingewöhnungszeit. Ich selbst trage schon sehr lange Barfußschuhe.

Wir haben den Col du petit Malrif erreicht (2830m)
Wir haben den Col du petit Malrif erreicht (2830m)

 Von hier oben haben wir eine grandiose Sicht! Ich zeige dir mal den Blick zurück: 

Blick zurück auf den Lac du Grand Laus
Blick zurück auf den Lac du Grand Laus

Unser Hund ist übrigens nur für das Foto abgeleint. Er ist nämlich ganz schön scharf auf die vielen Murmeltiere, das wollen wir den armen Pfeiftieren nicht antun. Übrigens habe ich ganz schnell gelernt, was „Fuchs“ auf Französisch heißt. Nämlich „renard“. Fehlt nur der buschige Schwanz.

Und hier der Blick voraus. In dieses Tal hinunter wird es gleich gehen. Es ist ein krasser Kontrast zu dem lieblichen Tal von heute morgen.

Abstieg nach Les Fonts zwischen Felsbrocken.
Abstieg nach Les Fonts zwischen Felsbrocken und Schieferplatten.

Leider verabschiedet sich hiermit die Sonne und es wird ziemlich kalt. Meine Tochter entdeckt zwischen all dem Geröll diese seltsamen Blumen:

rosa Blumen
Die sehen irgendwie lecker aus. Wie Zuckerguss.

Wir lernen es wohl nie, rechtzeitig Pause zu machen. Man möchte immer weiter, höher … und jetzt ist es saukalt. Wir steigen hinab, aber obwohl der Wind einigermaßen weg ist, bleibt es eisig. Wir sitzen in Daunenjacken, verzehren unser Mittagessen und kühlen immer weiter aus. Brr.

Mittagspause in Daunenjacke
Mittagspause in Daunenjacke

Es bleibt uns nichts anderes übrig als weiterzugehen. Schließlich erreichen wir Les Fonts, ein kleines Bergdorf. Hier gibt es mehrere Brunnen, eine für dieses Jahr geschlossene Rasthütte namens Fonts de Cervières und ein kleines Café. Ein freundlicher Mann spricht uns an und lädt uns ein, vor der Rasthütte gratis unser Zelt aufzuschlagen. Wir sind unentschlossen. Bauschutt befindet sich überall, es sieht nicht sehr einladend aus. Doch dann beschließen wir, neben den Rastbänken zu zelten, von dort aus sieht man die Unordnung nicht. Die Toilette ist zugänglich, sie befindet sich in der kleinen Hütte mit dem Solardach. Es gibt sogar Seife und Papier.

Die Rasthütte Fonts de Cervières, die 2023 wegen Umbau geschlossen ist.
Die Rasthütte Fonts de Cervières, die 2023 wegen Umbau geschlossen ist.

Obwohl noch einmal die Sonne herauskommt, ist es unglaublich kalt. Wir ziehen wieder die Daunenjacken an und beeilen uns mit dem Abendessen. Nichts wie ab ins Zelt!         

Das Bergdorf Les Fonts. Genau rechts neben unserer Zeltspitze siehst du das jetzt verlassene Café – einfach eine kleine Wiese mit Tischen und Stühlen.

Tag 6 – Von Les Fonts nach Brunissard

Dauer 08:25, Wegstrecke 20,6 km, bergauf 1110 m, bergab 1430 m

Höchster Punkt 2631 m Niedrigster Punkt 1727 m

Dies ist die kälteste Nacht, die wir auf unserer Wanderung erlebt haben. Gut, wir sind auf 2040 m Höhe, aber oh Schreck, unser Zelt ist heute Morgen von Raureif über und über bedeckt und unsere Socken, die wir über Nacht über einen Busch zum Trocknen aufgehängt haben, sind völlig steifgefroren. Zum Glück sind unsere Schlafsäcke warm, wobei meine Tochter über kalte Füße klagt. Der Hund scheint unbeeindruckt, obwohl er sich gern während der Nacht mehrmals willig zudecken ließ.

Blick zurück am frühen Morgen auf das kleine Bergdorf Les Fonts
Blick zurück am frühen Morgen auf das kleine Bergdorf Les Fonts

Nach dieser eiskalten Nacht erwartet uns ein strahlender Morgen. Noch wandern wir im Schatten, aber etwas weiter oben ist schon alles sonnig. Zunächst geht es mäßig bergauf an einem kleinen Bach entlang, aber wir wissen ja, dass uns heute wieder gleich zwei Passüberquerungen bevorstehen.

Im Morgenschatten am Bach entlang. Hinten sieht man den Col de Péas (2629 m). Dort müssen wir rüber.

Als wir kurz vor dem Pass in der Sonne frühstücken, überholt uns eine Fotografin mit einem meterlangen Fotoobjektiv. Sie klettert über Stock und Stein und verschwindet hinter Felsen. Was sie wohl fotografieren will? Steine und Gras, Murmeltiere oder Krähen? Momentan sieht es nicht so aus, als sei sie an der tollen Aussicht interessiert.

Auf dem Col de la Lauze (2593m)
Auf dem Col de la Lauze (2593m)

Wir überqueren den Col de la Lauze. Hier ist es wieder einmal sehr windig und trotz des Sonnenscheins ziehen wir unsere Jacken an. Einfach traumhaft, diese Sicht! Doch es ist angenehmer, sie weiter unten zu bewundern, wo der Wind nicht so bläst.

Unterhalb der Baumgrenze passieren wir Souliers (1800 m). Hier lädt ein Schild in die Gîte Grand Rochebrune ein. Man könnte auch das Zelt hier aufstellen und die Duschräume mitbenutzen. Oder gleich ein Zimmer nehmen. Da es Mittag ist, geraten wir stark in Versuchung, auf der Terrasse ein gutbürgerliches Mahl mit toller Aussicht zu genießen. Aber da wir noch viel vorhaben, zieht es uns doch weiter. Wir laufen an einem laut rauschenden Bach in der brütenden Sonne entlang und plötzlich geht es wieder steil bergauf.

Wir erreichen den Col Tronchet (2347 m). Von hier aus kann man Brunissard (1760 m)schon sehen.
Wir erreichen den Col Tronchet (2347 m). Von hier aus kann man Brunissard (1760 m) schon sehen.

Auf diesem Pass wachsen Bäume, in deren Schutz es schöne Möglichkeiten zu zelten gibt. Leider haben wir kein Wasser mehr und einen Bach sehen oder hören wir weit und breit nicht. Es ist aber auch noch später Nachmittag, wir wollen weiter. Später treffen wir ein Pärchen, die uns fragen, ob es oben auf dem Pass Wasser gibt. Sie wollen dort oben übernachten. Zum Glück haben sie genügend dabei, und auf der anderen Seite Richtung Souliers rauscht ja der Bach im Tal, sodass sie am nächsten Morgen auffüllen können.

Abstieg nach Brunissard über Geröllhalden.
Abstieg nach Brunissard über Geröllhalden.

Der Weg nach Brunissard zieht sich, und als wir endlich ankommen, stürzen wir uns auf den Brunnen, um unsere leeren Flaschen wieder aufzufüllen.

Pause in Brunissard am Brunnen
Pause in Brunissard am Brunnen

So, und was nun? Wo sollen wir zelten? Die nächste Wegstrecke geht an einem steilen Berghang entlang, es ist fraglich, ob wir dort einen geeigneten Platz finden. Als wir etwas ratlos vor einer Ortskarte stehen, spricht uns eine nette Frau an und versichert uns, dass es einen Campingplatz gäbe, etwa 2 km von hier. Nur – das ist die komplett falsche Richtung. Ein zufällig vorbeikommender Wanderer mischt sich ein und schlägt uns einen anderen Campingplatz vor, der allerdings auch ganz woanders liegt. Wir kommen ins Gespräch und stellen erst nach einer ganzen Weile fest, dass er auch Deutscher ist. Er läuft schon seit Mai den GR 5 und hat vom GR 58 noch nie etwas gehört. Wir fachsimpeln angeregt, und meine Tochter und die Frau (die sowieso kein Deutsch versteht) hören gelangweilt zu.

Schließlich trennen wir uns, er geht weiter auf dem GR 5 und wir setzen unsere Tour du Queyras auf dem GR 58 fort. Ich habe beschlossen, einfach weiterzugehen. Laut meiner Karte fließt ein etwas größerer Fluss den steilen Berg herab, an dessen Seiten ist das Gelände etwas flacher und ich hoffe, dort einen Platz zu finden.

Zelten im Wald am Fluss
Zelten im Wald am Fluss

Genauso ist es dann auch und wir finden einen notdürftig geeigneten Platz. Es gibt auch Wiesen, aber dort sind lauter Kuhfladen und wer weiß, wo sich ihre Verursacherinnen aufhalten. Der Platz ist nicht eben und ich befürchte, dass wir alle drei zur Seite abrollen, aber na gut. Beachte auch bitte, dass man eigentlich nicht unter Bäumen mit solch toten Ästen zelten sollte, wie wir es gerade tun. „Witwenmacher“ werden sie genannt (in meinem Fall eher Witwer), aber es ist völlig windstill und ich vertraue mal darauf, dass der Ast nicht gerade heute Nacht herunterkracht. Kleiner Spoiler: Er bleibt an seinem Platz.

Gemüseeintopf zum Abendessen
Gemüseeintopf zum Abendessen

Das hier gibt es zum Abendessen und weil es mal wieder so kalt ist, tut der Gemüseeintopf richtig gut. Dafür, dass er zu dicken trockenen Platten dehydriert wurde, sieht er doch ganz okay aus, oder? Ich zeige dir mal, wie ich das gemacht habe:

So sah der Eintopf vor dem Trocknen aus.
So sah der Eintopf vor dem Trocknen aus.

Ich habe einen riesigen Topf mit Gemüse gekocht, reichlich Tomatenmark dazu und als Experiment Kartoffelstücke. Ich wusste nicht recht, ob die auch gut trocknen. Sie taten es, allerdings rehydrieren sie reichlich schlecht. Die schmeckten dann eigentlich wie Kartoffelchips, auch sehr lecker.

Ich habe einfach zwei gut gefüllte Teller auf eine Ebene des Trockners gefüllt, so konnte ich die Portion gut abmessen. Dieser Eintopf wird auf jeden Fall öfter auf Touren mitkommen!

Tag 7 – Von Brunissard nach Bramousse

Dauer 06:57, Wegstrecke 16,0 km, bergauf 1060 m, bergab 1400 m

Höchster Punkt 2477 m Niedrigster Punkt 1212 m

Hätten wir gestern nicht an der Flusseinmündung ein einigermaßen akzeptables Plätzchen gefunden, hätten wir auf jeden Fall noch etliche Kilometer weiter laufen müssen. Denn heute morgen schlängelt sich der Weg wieder eng an steilen Hängen den Berg hinauf. Erst kurz vor dem Plan du Vallon, einem Picknickplatz, der auch mit dem Auto erreichbar ist, finden sich wieder akzeptable Biwakstellen.

Kurz vor dem Plan du Vallon finden sich hübsche Zeltstellen.
Dieser Platz kurz vor dem Plan du Vallon lädt doch regelrecht zum Zelten ein …

Die eigentliche Picknickstelle befindet sich ein paar Meter weiter oben samt einem Parkplatz. Wir lassen sie hinter uns und schnaufen weiter den Berg hinauf, begleitet von einer etwa zwanzigköpfigen Touristengruppe, die wir einfach nicht los werden. Entweder überholen sie uns oder wir sie. Schließlich bleiben sie auf einem Felsen sitzen und gucken aufgeregt durch ihre Ferngläser. Auch ich kriege kurzerhand eines in die Hand gedrückt. Auf einem der gezackten Berggipfel sind Gämsen zu sehen!

Fasziniert beobachten wir die Tiere und ich lerne, was Gämse auf französisch heißt: Chamois. Leider sind sie zu weit weg, um akzeptable Fotos zu machen.

Endlich reißen wir uns los, lassen die Wandergruppe hinter uns und erreichen den Col de Furfande.

Auf dem Col de Furfande (2500 m)
Auf dem Col de Furfande (2500 m). Unten links sieht man klein die Furfande Hütten.

Bis zu den Furfande Hütten ist es nur noch ein Katzensprung. Wir beschließen, hier zu Mittag zu essen, allerdings unseren eigenen Proviant, der ja schließlich auch einmal wegmuss. Hier vorne an der Bergspitze, wo wir sitzen, weht ein kalter Wind, deswegen habe ich kurzerhand meine Daunenjacke angezogen, auch wenn das vielleicht leicht übertrieben aussieht.

Bei den Furfande Hütten.
Bei den Furfande Hütten. Wir trocknen unsere Wäsche und essen zu Mittag

Wir sehen Zelte, die in der Nähe der Hütte aufgestellt sind. Hier zu übernachten ist definitiv möglich und gut zu essen gibt es auch. Und die Aussicht ist auch traumhaft!

Wir brechen wieder auf zum Col de la Lauze. Und hier sehen wir die Bescherung: Es gilt, in ein supertiefes, steiles Tal hinab- und auf der anderen Seite wieder hochzuklettern. Unser Ziel ist Bramousse, das wir auf halber Höhe des gegenüberliegenden Berges schon sehen können. Aber diese Schlucht … puh.

Brücke nach Bramousse
Wir überqueren Straße und Brücke nach Bramousse

Meine Güte, wir sind endlich unten im Tal. Uns zittern von dem Mordsabstieg die Knie, aber es hilft nichts. Auf der anderen Seite der Brücke geht es gleich wieder steil bergauf.

Endlich haben wir Bramousse erreicht.
Endlich haben wir Bramousse (1450 m) erreicht. Keine Ahnung, ob der Weg genauso verläuft wie mein Gestrichel, aber so ungefähr muss es gewesen sein.

Ein Teil von Bramousse liegt weiter unten, wo wir an einem Brunnen unsere Flaschen auffüllen. Dann stapfen wir weiter hoch zum oberen Teil. Eigentlich hatten wir vorgehabt, noch höher zu steigen, aber wir passieren eine einladende Herberge, wo groß angeschrieben steht, dass man im Garten zelten kann. Wunderbar, wir sind sowieso fix und fertig.

Hinter der Herberge Le Riou Vert in Bramousse
Hinter der Herberge Le Riou Vert in Bramousse – ein supergemütlicher Zeltplatz im Garten

Die Herbergsmutter findet das allerletzte Plätzchen für unser Zelt (unsere Zeltnachbarin muss tatsächlich ein wenig zur Seite rücken) und wir genießen eine Dusche, eine Wäscheleine, einen wundervollen Restaurantgarten und – die Krönung des Abends – ein sechsgängiges Menü, das wir eigentlich mehr oder weniger aus Versehen bestellen. Wir wollen doch nur eine Kleinigkeit … Aber so etwas muss man einmal erlebt haben! Die Wirtin ruft plötzlich alle Gäste nach drinnen, wir sitzen eng gedrängt mit allen Zelt- und Herbergsgästen in einem Speisesaal, Töpfe und Platten werden auf den Tisch gestellt und die fröhliche Gesellschaft bedient sich. Wir sind die einzigen Ausländer und alle bemühen sich sehr, mit uns Französisch und Englisch (viel Englisch können sie nämlich nicht) zu sprechen und uns alles zu erklären. Zum Schluss gibt es noch einen Wermutschnaps, wo die Wirtin extra eine Pflanze holt, um uns klarzumachen, was für ein Schnaps das sei.

Es wird viel geredet und gelacht, natürlich auf Französisch, aber das meiste verstehen wir ja. Nur reden ist halt schlecht … So einen netten Abend hatten wir bisher noch nicht, jedenfalls nicht auf diese Art!

Tag 8 – Von Bramousse nach Ceillac

Dauer 03:55, Wegstrecke 8,54 km, bergauf 830 m, bergab 590 m

Höchster Punkt 2243 m Niedrigster Punkt 1417 m

Dies wird unser letzter Wandertag und da wir in Ceillac den Bus um 13.30 Uhr noch erwischen wollen, stehen wir früh auf. Die anderen Zeltgäste schlafen noch, als wir schon diesen freundlichen Ort verlassen. Es sieht regnerisch aus und tatsächlich fängt es an zu tröpfeln.

Blick zurück von den Chalets de Bramousse zu unserer gestrigen Wandertour
Blick zurück von den Chalets de Bramousse zu unserer gestrigen Wandertour. Das tiefe Tal in der Mitte sieht man gar nicht!

Aber der Regen verzieht sich zum Glück wieder. Immer wieder blicken wir zurück und staunen, was wir gestern alles runter- und wieder hochgewandert sind. Die Chalets de Bramousse liegen eine gute Stunde oberhalb von Bramousse und sind einfach eine Gruppe von Almhütten. Einige sind bewohnt, was man an den Autos davor sieht.

Frühstück auf dem Col de Bramousse (2251 m)
Frühstück auf dem Col de Bramousse (2251 m)

Die Luft ist feucht und wir schwitzen gehörig, als wir den Col de Bramousse erreichen. Wir ziehen unsere nassen T-Shirts aus und dafür die Jacken an. Eine niederländische Familie erreicht uns. Sie haben bei den Chalets einen Hüttenbesitzer gefragt und dort gezeltet, denn eigentlich ist im Bereich der Hütten Zelten verboten. Hier oben auf dem Pass allerdings gibt es wieder schöne Plätze! Aber das hätten wir gestern Abend niemals mehr geschafft.

Die Kirche Sainte-Cécile bei Ceillac. Sie steht seit 1972 unter Denkmalschutz
Die Kirche Sainte-Cécile bei Ceillac. Sie steht seit 1972 unter Denkmalschutz. Gleitschirmsegler segeln durch die Lüfte und geben ein paar hübsche Farbtupfer ab.

Vom Col de Bramousse hinunter nach Ceillac ist es nur noch ein Katzensprung. Wir sind viel zu früh da, schlendern noch durch die Gassen und suchen uns dann oberhalb der Bushaltestelle noch einen gemütlichen Platz, um die letzte Portion Linsen zum Mittagessen zu kochen, die ja wegen des Menüs von gestern Abend noch übrig ist. Lecker.

Blick auf Ceillac.
Blick auf Ceillac. Wir warten auf den Bus

Tja, und dann kommt der Bus und unsere Tour ist zu Ende. Schade. Aber auf uns wartet noch ein tolles Abendessen mit den Großeltern in Guillestre, das mit seiner hübschen Altstadt und der mittelalterlichen Kirche definitiv auch eine Reise wert ist. Und morgen geht es dann endgültig nach Hause.

Infos zur Tour du Queyras (GR 58)

Es gibt kaum deutschsprachige Seiten im Internet zu dieser Tour, zumindest habe ich keine gefunden. Orientiert habe ich mich an dieser Sammlung hier in Komoot, anschließend habe ich mich dort selbst angemeldet und die Tour für mich geplant, mich aber eigentlich fast genau an die Vorlage gehalten. Danke, Chloé Perceval! Sie hat die Tour in 6 Tagen gewandert, aber gerade Tag 4 ist elend lang, deshalb teilten wir ihn wie vorgeschlagen auf zwei Tage auf. Einen Tag mehr gab ich uns auch noch, ich wusste ja nicht, wie wir uns mit den unglaublich vielen Höhenmetern schlagen würden. In acht Tagen sollte die Tour eigentlich locker machbar sein, und so war es dann ja auch gewesen.

Wer gut französisch kann, kann sich dieses Buch anschauen. Leider gibt es das nicht auf Deutsch.

Diese Seite könnte eventuell noch hilfreich sein. Man kann sie auf deutsch umstellen.

Mehr habe ich nicht gefunden, aber es hat ja gereicht, um eine tolle Wanderung zu haben!

Fazit zur Tour du Queyras

Diese Tour war eine der anstrengendsten, die ich je gemacht habe! Na gut, so viele sind das bisher noch nicht 🙂 , trotzdem möchte ich das hier noch einmal betonen. SIE IST ANSTRENGEND! Aber sie ist auch eine der schönsten. Eine grandiose Aussicht jagt die nächste, es ist einfach umwerfend. Es gab kaum Deutsche dort, eigentlich fast ausschließlich Franzosen (die dafür aber zahlreich). Wirklich alleine waren wir fast nie, die Tour scheint in Frankreich sehr beliebt zu sein. Unglaublich viele Rucksacktouristen waren unterwegs.

Was mir aber aufgefallen ist, die Menschen dort waren eher zurückhaltend. Während ich auf meiner England-Tour an Pfingsten von nahezu jedem entgegenkommenden Wanderer angesprochen wurde, blieb man hier eher unter sich. Außer „Bonjour“ redete man nichts miteinander. Wirklich aufgetaut sind die Menschen erst bei dem sechsgängigen Abendmenü, wo man sich tatsächlich als Teil einer Gemeinschaft gefühlt hat.
Möglicherweise lag es an der Sprachbarriere? Es ist schon sehr dumm, wenn man die Landessprache nicht beherrscht. Ein paar Leute konnten gut Englisch, aber andere quälten sich so wie ich mich mit Französisch. Aber auch auf den Zeltplätzen – ich konnte es beobachten – blieben die Leute meist in ihrer Gruppe oder bei ihrem Partner oder gar alleine. Oder wir hatten einfach manchmal Pech, es gab nämlich auch sehr, sehr nette und kommunikative Leute, wie die Frau, die uns zum Musikfestival eingeladen hatte oder das Pärchen, das auf dem Col Tronchet übernachten wollte. Mit denen haben wir ziemlich lange in einer Mischung aus Französisch und Englisch gesprochen.

Etwas schade war es, dass ich mir meinen Traum, einmal einsam oberhalb der Baumgrenze zu zelten, nicht erfüllen konnte. Das lag aber an unserer (ungeschickten) Planung und daran, dass wir aufgrund des Pausentags in Abriès zu wenig Zeit hatten, um auf den Bergspitzen herumzutrödeln. Das würde ich nächstes Mal auf jeden Fall anders machen!

Mich jedenfalls werden alpine Touren nicht mehr schrecken! Im Gegenteil, jetzt weiß ich, dass ich sie meistern kann und wie schön es ist, wenn man sich mehrere Tage am Stück in den Bergen aufhalten kann. Definitiv nicht meine letzte Tour in den Alpen!